»Jona: Ein Wutbürger hat Glück« – Predigt zum 2. Sonntag der Sommerkirche 2019

In der Predigtreihe über „Glücksmomente in der Bibel“ predigte Pastor Jan-Henry Wanink am 14. Juli 2019 über „Jona: Ein Wutbürger hat Glück“.

Das Buch Jona in Glücks- und Pechmomenten (Lesung)

Ein Glück für Jona: Gott selbst spricht mit ihm.
Pech für Jona: Gott hat einen üblen Auftrag für ihn: „Geh in die große Stadt Ninive und kündige den Menschen dort ihren Untergang an, denn sie sind böse.“

Zum Glück kann Jona für sich selbst entscheiden: Er besteigt ein Schiff in genau die andere Richtung.
Pech für Jona: Gott schickt einen Sturm, das Schiff schwankt.

Aber zum Glück schläft Jona unten im Schiff.
Pech für Jona: Die Seeleute wecken ihn und fragen sich, wer die Götter so geärgert haben könnte, dass sie nun in einen solchen Orkan geraten sind. Sie werfen das Los und es trifft Jona. Der gibt zu, dass er vor Gottes Auftrag weggelaufen ist und bittet völlig am Ende die Seeleute, ihn über Bord zu werfen.

Jona hat Glück: Die Seeleute wollen ihn nicht opfern und versuchen, gegen den Sturm anzurudern.
Pech für Jona: Der Sturm wird immer heftiger. Die Seeleute müssen aufgeben und werfen Jona über Bord. Er versinkt in den Fluten.

Glück für Jona: Ein Walfisch schluckt Jona runter.
Pech für Jona: Es stinkt nach Fisch im Magen des Wals.

Zum Glück gibt es genug Sauerstoff im Magen des Walfischs.
Pech für Jona: Drei Tage lang bleibt er im stickigen Dustern des Walfischs.

Aber hier erlebt Jona einen Glücksmoment: Er fühlt sich Gott ganz nah und spricht mit ihm.
Pech für den Fisch: Der betende Jona ist für ihn unverdaulich. Gott befiehlt ihm, Jona schließlich an einen Strand zu spucken.

Jona hat wieder Glück: Gott spricht immer noch zu ihm.
Wieder Pech für Jona: Immer noch der üble Auftrag: „Geh nach Ninive und kündige den Menschen dort ihren Untergang an, denn sie sind böse.“

Zum Glück traut sich Jona nun, und nachdem er mitten in der Stadt angekommen ist, stellt er sich auf den Marktplatz und beginnt, den Untergang Ninives anzukündigen.
Die Menschen hören Jona und können ihr Pech kaum fassen. Sie erkennen, dass sie an ihrem drohenden Untergang wegen ihres Handelns selbst schuld sind. Sie sind traurig, sogar der König ist traurig und befiehlt seinen Untertanen, ihr Leben zu ändern.

Schließlich haben die Menschen Glück: Gott hat Mitleid mit den Menschen und Tieren in Ninive und beschließt, sie nicht zu bestrafen.
Jona fühlt sich jetzt wie ein Pechvogel: Er ist unendlich sauer auf Gott und wirft ihm seine Barmherzigkeit vor: „Ach, HERR, habe ich das nicht gleich geahnt, als ich noch zu Hause war? Darum wollte ich ja auch so rasch wie möglich nach Tarsis fliehen! Ich wusste es doch: Du bist ein gnädiger und barmherziger Gott. Deine Geduld ist groß, deine Liebe kennt kein Ende. Du lässt dich umstimmen und strafst dann doch nicht. Darum lass mich nun sterben, HERR, das ist besser für mich als weiterzuleben!“

Jona weiß nicht, was für ein Glück er hat. Gott lässt sich von ihm nicht beleidigen und fragt ihn nur: „Bist zu zurecht so wütend?“
Jona gibt die Hoffnung aber nicht auf, dass Gott noch Ninive zerstört. Er macht es sich in einer Laube vor den Stadtmauern bequem und wartet darauf, dass Pech und Schwefel aus dem Himmel auf Ninive regnen.

Jona hat Glück: Gott lässt ganz fix über der Laube eine Staude wachsen, so dass Jona es in der Mittagshitze schön kühl und schattig hat. Ein wunderbarer Ort, um den Untergang einer Stadt sich anzuschauen!
Aber das Pech verfolgt Jona: Gott schickt einen Wurm, der die Wurzeln der Staude auffrisst, so dass sie eingeht. Dann schickt Gott sogar noch einen heißen Wind. Jona brütet in der Sonne bis er schließlich völlig entnervt zusammenbricht und sich selbst den Tod wünscht.

Gott fragt Jona: „Bist du wegen der eingegangenen Pflanze zurecht so unglücklich?“ Jona antwortet: „Ja klar, ich bin völlig zu Recht so wütend und will nicht mehr leben.“
Gott fragt Jona: „Diese Pflanze ist ganz schnell gewachsen und genauso schnell eingegangen. Du brauchtest dich keine Sekunde um sie zu kümmern und sie hat dir in ihrem kurzen Leben Schatten gegeben. Aber dir tut sie leid. Meinst du, die vielen Einwohner von Ninive und all die Tiere in der Stadt, die sollten mir nicht leid tun?“

Predigt zu Jona 4

Jona aber ärgerte sich sehr, voller Zorn betete er:

„Ach, HERR, habe ich das nicht gleich geahnt, als ich noch zu Hause war? Darum wollte ich ja auch so rasch wie möglich nach Tarsis fliehen! Ich wusste es doch: Du bist ein gnädiger und barmherziger Gott. Deine Geduld ist groß, deine Liebe kennt kein Ende. Du lässt dich umstimmen und strafst dann doch nicht. Darum lass mich nun sterben, HERR, das ist besser für mich als weiterzuleben!“

Aber der HERR erwiderte nur: „Ist es recht von dir, so wütend zu sein?“

Jona verließ Ninive. Östlich der Stadt machte er sich ein Laubdach und setzte sich darunter in den Schatten. Er wollte beobachten, was mit der Stadt geschehen würde. Da ließ Gott, der HERR, eine Rizinusstaude über Jona hochwachsen. Sie sollte ihm noch mehr Schatten geben und seinen Missmut vertreiben. Jona freute sich sehr über die Pflanze. Doch am nächsten Morgen kurz vor Sonnenaufgang ließ Gott einen Wurm die Wurzeln des Rizinus zerfressen, und die Staude wurde welk und dürr. Als die Sonne aufging, schickte Gott einen glühend heißen Ostwind. Die Sonne brannte Jona so auf den Kopf, dass er erschöpft zusammenbrach. Er wünschte sich zu sterben und seufzte: „Wenn ich doch nur tot wäre, das wäre besser als weiterzuleben!“

Da fragte ihn Gott: „Ist es recht von dir, wegen dieser Rizinusstaude so zornig zu sein?“

Jona antwortete: „Mit vollem Recht bin ich wütend, am liebsten wäre ich tot!“

Der HERR entgegnete: „Du hast dich mit dieser Staude keinen Augenblick abmühen müssen, nichts brauchtest du für sie zu tun. In einer Nacht ist sie gewachsen, und in der nächsten ging sie zugrunde. Trotzdem hättest du sie gerne verschont. Ich aber sollte Ninive nicht verschonen, diese große Stadt, in der mehr als 120.000 Menschen leben, die Gut und Böse nicht unterscheiden können, und dazu noch so viele Tiere?“

Die Geschichte von Jona, sie ist einfach großartig und ich könnte mich stundenlang mit ihnen über dieses kleine aber dramatische Geschichte wundern – aber das wäre wahrlich kein Glücksmoment für sie.

Daher zwei Punkte:

1. Gott gebraucht unmögliche Leute

Jona hätte wahrscheinlich niemand von uns gerne zum Nachbarn. Er muss ein ziemlich schwieriger Mensch gewesen sein. Er ist vor seiner Verantwortung weggelaufen, hat sich davongemacht. Er hat wiederholt Wutausbrüche. Und gleich dreimal in diesem kurzen Buch wünscht sich Jona den Tod herbei. Ich bin kein Psychologe, aber wahrscheinlich würde bei Jona heute eine manisch-depressive Erkrankung mit Suizidgefährdung festgestellt. Ein cholerischer Charakter. Jona wäre wohl nie in einen Kirchenrat gewählt worden.

Es ist seltsam, aber alle Beteiligten in diesem Buch Jona spielen eine meist sympathische Rolle. Die Seeleute, die selbst in Lebensgefahr Jona erst retten wollen und Gott um Vergebung bitten, als sie ihn schließlich notgedrungen über Bord werfen. Der Walfisch, der Jona nicht einfach verputzt, sondern den Schiffbrüchigen wie ein Rettungsschiff aufnimmt – Jona hat sich über das Mittelmeer davongemacht. Der König und die Menschen in Ninive, die nicht den Propheten mit der schlechten Botschaft am nächsten Laternenpfahl aufhängen, sondern tatsächlich zur Umkehr kommen. Die Rizinusstaude, die Jona Schatten gibt. Die Menschen, die Tiere, sogar die Pflanzen sind relativ freundliche Wesen in diesem Buch. Nur Jona, der wütet und windet sich, jammert und klagt. Regt sich tierisch auf darüber auf, dass Menschen und Tiere gerettet werden. Ein Alfred Tetzlaff des Alten Testaments.

Aber das Buch Jona beginnt mit dem Satz: Gott, der Herr, sprach zu Jona. Und Gott beauftragt Jona mit einer unglaublichen Mission. Geh nach Ninive, in die große Stadt.

Gott beruft Jona. Was für Personal stellt Gott eigentlich ein? Nach welchen Kriterien geht er vor?

Hier ein kleiner Überblick über Gottes Bodenpersonal in der Bibel:

Noah war betrunken.
Abraham war zu alt.
Sarah war unfruchtbar.
Isaak war ein Tagträumer.
Jakob war ein Lügner.
Lea war hässlich.
Mose war ein Mörder und hat gestottert.
Gideon war ängstlich.
Rahab war eine Prostituierte.
David war ein Ehebrecher.
Elia war wie Jona selbstmordgefährdet.
Hiob verlor alles.
Petrus hatte Wutausbrüche, eine große Klappe und verleugnete Jesus.
Johannes war selbstgerecht.
Matthäus war ein korrupter Dieb.
Thomas zweifelte.
Simon war ein Fanatiker.
Nathanael war ein Zyniker.
Martha machte sich um alles Sorgen.
Maria war faul.
Maria Magdalena war von Dämonen besessen.
Paulus war ein Christenhasser und saß im Gefängnis.
Lazarus war tot.

Vielleicht haben Sie schon mal gedacht, Gott könne Sie nicht gebrauchen. Glauben Sie das immer noch?

Zu unserem Glück schaut Gott nicht auf das, was wir können, was wir leisten, wie toll wir sind. Zu unserem Glück.

Der 2. Punkt: Die große Stadt Ninive

Um wen geht das Buch Jona? Um diese Person, den wütenden, seltsam suizidgefährdeten Propheten wider Willen? Sicher auch, aber vor allem geht es um die große Stadt Ninive. Die große Metropole der damaligen Zeit, das New York, das Shanghai der Zeit vor gut 2700 Jahren. Die Hauptstadt des Assyrischen Reiches lag im Norden des heutigen Irak. Ihre gewaltigen Reste werden seit 200 Jahren ausgegraben. Die Stadt hatte damals eine Stadtmauer von über 12 km. Zum Vergleich, ich hab mal nachgeschaut, die mittelalterliche Stadtmauer um Osnabrück herum, um die Altstadt und Neustadt war keine 5 km lang.

Ninive war mächtig, Ninive war prächtig. Und die Stadt war es, weil sie ein riesiges Reich hatte, aus dem sie mit Gewalt alles rausholte, was drin war. Die Assyrer herrschten damals über den halben Nahen Osten. In der Bibel wird berichtet, wie die Assyrer den Norden Israels eroberten, plünderten und zehn von den zwölf Stämmen Israels im Dunkel der Geschichte verschwinden ließen.

Jona hatte schon seine Gründe, warum er nicht die Höhle des Löwen wollte und warum er am Ende sehnsüchtig darauf wartete, dass die Stadt Ninive vernichtet werden sollte.

Ninive war nicht liebenswürdig. Eine Stadt voller Heiden. Und doch liebt Gott diese Stadt. Hat er Mitleid mit den Menschen und den Tieren in Ninive.

Womit haben wir Mitleid? Um wen sorgen wir uns? So wie bei Jona, der um eine eingegangene Rizinusstaude trauert, so lassen uns ja die Pflanzen nicht kalt. Wir sehen zuhause die Pflanzen, die unter der Trockenheit der letzten Monate eingehen. Wir hören und lesen in diesen Tagen von den erschreckenden Zuständen in den Wäldern, die dem Wetterstress mehr und mehr erliegen. Das lässt uns nicht kalt. Den einen mehr, den andern weniger. Mich machen die Bilder aus den Mittelgebirgen, der eigene tote Rasen ziemlich besorgt. Und dann sagt Gott: Dich kümmert eine Pflanze? Kannst du dir nicht vorstellen, dass mich die vielen Menschen bekümmern, dass mir ihr Schicksal am Herzen liegt?

Wir leben in einer großen Stadt. Nicht so groß und so mächtig wie Ninive. Nicht mit so vielen Tieren, nur einem Zoo. In Zukunft werden wir als Christen eine Minderheit in dieser Stadt sein. Darüber klagen wir viel, als Kirchen. Und wir sehen angesichts des Bedeutungsverlusts der Kirchen in Europa die Endzeit manchmal kommen.

All die Menschen dieser Stadt. Die vielen Menschen, die aus den Kirchen ausgetreten sind. Die Muslime. Die Hindus. Die Buddhisten. Und die vielen vielen Menschen, die mehr oder weniger fröhlich leben, ohne sich einer Religion zugehörig zu fühlen. All diese Menschen, sie sind von Gott geliebt. Sie sind ihm nicht egal.

Das ist unsere Hoffnung für diese Stadt, diese Welt. Auch wenn wir als Kirchen an Bedeutung und Größe verlieren: Das mindert nicht Gottes Liebe für seine Geschöpfe. Vielleicht kommt sie sogar stärker ans Licht.

Davon zu erzählen, davon etwas weiterzugeben, das ist unsere Berufung als Christen. Den Menschen sagen: Ihr seid geliebt.

Als Kirchen sind wir alt. Wir jammern viel. Wir drücken uns oft weg, wenn es ernst wird. Wir beschäftigen uns meist mit uns selbst und oft und viel mit Besitz und Geld und werden allzu oft käuflich. Wir zweifeln und machen uns Sorgen. So sind wir.

Wenn man in die Bibel schaut, haben wir die besten Voraussetzungen, Gottes Boten zu sein. Wir sind da in guter Gesellschaft. Amen.