Predigt zum Sommerfest der Gemeinde 2015

Liebe Gemeinde!

Wir feiern heute ein Fest. Wir feiern die Fertigstellung unseres Großprojekts „Gemeindezentrum Bergkirche“ und wir haben das Fest heute unter das Thema „Faire Gemeinde“ gestellt.

Die ersten Lieder zeigen es schon an: Wir feiern einen Dankgottesdienst. Wir danken Gott dafür, dass das Projekt mit viel Planung und Arbeit und auch manchem Nerven-Lassen  gut vorangekommen ist. Und wir fragen danach, wie es nun weitergehen wird mit diesem Haus und den Menschen, die dorthin kommen.

Als biblisches Motto soll über diesem Tag der 127.­ Psalm stehen. Da heißt es in den ersten beiden Versen:

Von Salomo, ein Wallfahrtslied.
Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.
Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.
Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht Und hernach lange sitzt
Und esst euer Brot mit Sorgen;
Denn seinen Freunden gibt ER es im Schlaf.

Liebe Gemeinde,

Von Salomo, ein Wallfahrtslied

„Religion bleibt lebendig in der Familie und in der Wallfahrt“, hat mal einer gesagt, der es wissen muss, ein Religionswissenschaftler (Theo Sundermeier). Wir wissen alle: Religion in der Familie ist bei uns in der Krise. Bleibt die Wallfahrt, nicht nur die nach Jerusalem oder Mekka oder Telgte, sondern auch die zum Kirchentag oder nach Taizé – und die feine, kleine, sonntägliche Wallfahrt die Bergstraße hoch zur Bergkirche.

Christenmenschen sind Wallfahrer, auf der Suche nach einem anderen Sinn als dem banalen alltäglichen Konsum, in der Hoffnung auf ähnlich Gesonnene, in der Liebe zu einer Tradition, die quersteht zum alltäglichen Irrsinn. Sie haben ihren gewohnten Alltag verlassen, sich auf einen Weg gemacht. Freiwillig, nicht wie Flüchtlinge. Nun finden für eine kurze Zeitspanne Herberge, Besinnung, Konzentration auf das Wesentliche, auf Gott.

Menschen sind unterwegs in Sachen Glauben, heute wie damals. Manche setzen sich dann fest über Jahrzehnte irgendwo an einem guten Ort, auch bei uns, andere sind ganz punktuell mal da und dann wieder weg. Unterwegs eben. Wallfahrt, Suche, Pilgerschaft, Experiment. Zwischendurch braucht es gute Orte, wo sie willkommen sind – unser Buch an der Tür der Offenen Bergkirche zeugt davon, dass unsere Kirche für manche Menschen genau das ist: Ein guter Ort.

Manche möchten einfach einmal sitzen und beten, andere wollen den gewohnten Gottesdienst, manche brauchen einen Vortrag zur Bedeutung des Alten Testaments, andere eine Information über die Lage von Kirche und Gesellschaft in Südafrika. Manche brauchen persönliche Seelsorge, manche Sozialberatung, manche einen Raum für ihre Gruppe. Für all das haben wir jetzt ein Dach über dem Kopf und schöne Räume samt „Vorhof“. Und auch für die, die im Hintergrund arbeiten, ist jetzt angemessen Platz: Sekretariat, Finanzverwaltung, Diakoniebüro.

Wir haben geplant, haben beraten, andere haben umgesetzt in Statik und Stromstärken und Neigungswinkel beim rollstuhlgerechten Eingang, wieder andere Hand und Werkzeuge angelegt. Wir sind dankbar, dass alles ohne größere Schäden und ohne Verletzungen abgegangen ist und sind auch ein bisschen stolz auf das Erreichte.

Hat also nicht wirklich Gott unseren Bau begleitet? Wir hatten ja in manchen Gottesdiensten seinen Segen dafür erbeten.

Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.

Drei Anliegen höre ich heraus aus dieser Notiz in Psalm 127: Es geht ihm zum Einen um Vergewisserung und die daraus entstehende Gelassenheit, zum Anderen um Bescheidenheit von Menschen mit großen Projekten, und zum Dritten um die richtige Perspektive.

Zum Ersten: Vergewisserung. Wer ein Haus baut oder eine Stadt behütet, steht vor einer großen Herausforderung. Das wird ihm oft zu viel. Sorgen nehmen zu, manchmal nehmen sie überhand. Planungsrunden werden angesetzt, nachgerechnet will sein, und bei Ehrenamtlichen gehen die Nächte, manchmal der Urlaub drauf. Sicher: Ohne solchen Einsatz geht es nicht, aber wie schön ist es, dann zu hören:

Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht
Und hernach lange sitzt
Und esst euer Brot mit Sorgen;
Denn seinen Freunden gibt ER es im Schlaf.

Das kritisiert nicht das Engagement, aber es relativiert die Sorgen. Ihr seid nicht die  Letztverantwortlichen für den Hausbau, für die Stadt, für die Gemeinde. Ihr dürft auch ruhen. Ihr dürft Gott vertrauen.

Ich höre das als Zusage besonders an die hoch Engagierten unter uns. Wenn wir jetzt so ziemlich fertig sind mit unserem Projekt und ja manchmal auch mit den Nerven: Schaut noch einmal zurück und überlegt, wie und wo Ihr Entlastung bekommen habt: Durch die Gemeinschaft der anderen, durch die Gemeinde, durch Gott. Das mag die Dankbarkeit heute noch größer machen.

Das Zweite: Bescheidenheit. Was da jetzt steht, vieles neu, ist bei allem sparsamem Bauen wirklich gut geworden. Kinderkrankheiten wie die Klingelanlage gehören dazu. Wenn wir nun für Gottes Segen und Begleitung danken, kann uns das bei allen leuchtenden Augen auch Bescheidenheit lehren.

Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.

Also: Gott allein die Ehre geben, und unseren Anteil nicht zu wichtig nehmen. Keiner von uns denkt, dass hier so eine Art Denkmal für irgendwen gebaut wurde. Die Geschichte zeigt, dass es diese Gefährdung durchaus gibt auch bei Kirchens. Nehmen wir uns den 127. Psalm nachhaltig zu Herzen!

Und das Dritte: Perspektive. Wenn wir denn auf Gott verwiesen werden schon beim Bau, dann will er ja erst recht zu tun haben mit dem Haus, das jetzt fertiggestellt wurde. Gott soll hier zu Wort kommen, Menschen sollen hier ihm begegnen können.

Gott schafft sich selbst Bedingungen dafür. Zum Beispiel:

  • Das Haus muss offen sein für Menschen aller Art, Gemeinde hat einen Auftrag, ist keine geschlossene Gesellschaft, die ihre Gemütlichkeit organisiert. Wir haben hier einen Ort für Wallfahrer, sonntags, unter der Woche, für Pilger, Suchende wie wir selbst und auch noch ganz anders…
  • Im Haus gelten die Regeln Jesu, nicht die Regeln der Welt draußen. Die Regeln der Nächstenliebe, die Regeln der Gewaltfreiheit, die Regeln des gleichen Rechts für alle, die Regeln der Barmherzigkeit und der gegenseitigen Zuwendung…
  • Das Haus ist organisiert nach den ökumenischen Maßstäben von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Deshalb „Faire Gemeinde“, also Organisation und Beschaffung durch fairen Handel, Regionalität, Energieeffizienz…

Ich hoffe darauf, dass nach den vielen Belastungen der Umbruch- und Bauzeit (wie oft genug auch schon mittendrin) Gott uns segnet, dem Gelingen schenkt, was in seinem Sinne hier geschieht und uns ausbremst, wo wir in die Irre gehen. Und uns manchmal über Nacht Überraschungen schenkt:

Denn seinen Freunden gibt ER es im Schlaf.

Hoffen und beten wir, dass Gott an uns handelt wie mit seinen Freunden. Und werden wir nicht müde, ihm zu danken in Wort und Tat.

Amen.