Monatsandacht für September

„Gott spricht: Ich habe Dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“ (Jeremia 31,3)

Liebe Gemeinde,

der Vers, der unser Monatsspruch ist, wird gern direkt zugesprochen, als Trauspruch oder Taufspruch verwendet. Aus naheliegenden Gründen, spricht er doch Gottes Liebe klar und unmissverständlich zu, mit schönen, zu Herzen gehenden Worten. LiebeR LeserIn: vielleicht sind ja die Worte Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte genau Ihr Taufspruch?

Aber: Gemeint ist bei Jeremia das Volk Israel, nicht ein Einzelner. Ein wunderbarer Vers – zugleich zeigt seine „Nutzung“, wie schwierig es ist, Bibelworte aus dem Zusammenhang „auszuschneiden“: Ein Großteil des Sinns geht verloren. Ein Problem, das wir auch bei vielen Herrnhuter Losungen haben.

Auf den Sinnzusammenhang unseres Wortes weist uns der emeritierte reformierte Pfarrer Tilman Hachfeld aus Berlin hin:

… man tut gut, es im Deutschen immer in der Gegenwartsform wiederzugeben. Dann hieße der Monatsspruch wörtlich: „Und dauernde Liebe – ich liebe dich! Darum ziehe ich dich – Güte!“ Liebe und Güte, ahabah und chäsäd, rahmen den kurzen Vers ein, der Gottes Verhältnis zu seinem Volk Israel auf den Nenner bringt.

In dem ganzen langen Gedicht (Jeremia 30 und 31) geht es um die Wiederherstellung Israels …: Nach allem Schlimmen (Zerstörung und Deportation erst der israelitischen Nordstämme, dann auch des judäischen Südens) kommen Heimkehr und Wiederherstellung Zions und des Volkes – von Individuen ist nicht die Rede! Vielmehr geht es um Gottes Geschichtshandeln und das Ziel aller Geschichte. Um dem Vers gerecht zu werden, ist es sinnvoll, auch darauf zu sehen, was denn – quasi als Zusammenfassung – dem Gedicht in Prosa folgt: Die Neusaat Israels, nach der Jeder und Jede nur für eigene Verschuldung zur zur Rechenschaft gezogen wird und nicht für die der Vorfahren (Vv 27–30) und der neue Bund, wenn Gott die Weisung in die Herzen legen wird (Vv 31–34) …

Gott hat das Volk seines Bundes im Blick. Im Blick seiner Liebe. Und darum auch jede und jeden EinzelneN. Das will uns Jeremia sagen. Das ist ein tröstendes Wort – für Israel. Für die Kirche. Und dann sicher auch zur Taufe, mit der wir in Gottes Volk einbezogen werden.

Alles Gute im September! Ihr Pastor Steffen Tuschling