Monatsandacht für November

„Erbarmt euch derer, die zweifeln.“ (Judasbrief 22)

Liebe Gemeinde,

der Zweifel ist der Bruder des Glaubens. Er kann dich überfallartig in Besitz nehmen, egal, ob dein Glaube schwach oder stark ist. Die Geschichte des Glaubens ist von Beginn an eine Geschichte des Zweifels und Unglaubens. Was kann man tun, wenn der Glaube ins Wanken gerät?

Die Bibel ist voll von Geschichten vom Zweifel, sie kehrt das Thema nicht unter den Teppich – am bekanntesten ist sicher die Geschichte vom „Ungläubigen Thomas“ (Johannes 20, 25). Die Psalmen bringen die Zweifel direkt vor Gott. Am radikalsten sicher in Psalm 22: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe … Hier ist einer mit seinen Möglichkeiten am Ende. Und spricht es aus. Er wirft seine verZWEIFLung Gott direkt vor die Füße. Gott hält das aus. Für den Psalmbeter aber ist ein erster Schritt zur „Besserung“ getan.

Ist es möglich, dass der Zweifel einer jener unliebsamen Gäste im Leben ist, die uns unter Umständen guttun? Der Dominikanerpater Bernhard Kohl sagt sogar:

Der Zweifel ist kein Feind des Glaubens, sondern sein Zwilling, sein Schutz: Der Zweifel schützt davor, Geltungsansprüchen, Heilsversprechungen zu schnell und leichtfertig Glauben zu schenken. Er schützt davor schlechte Argumente mit guten zu verwechseln. Er schützt vor Großmäuligkeit, weil er weiß: Dahinter hat jemand etwas zu verbergen. Der Zweifel ist in seinem Element, wenn der Glaube durch geistige Dünnbrettbohrerei am Leben gehalten wird.

Wir Glaubenden sollten den Zweifel also als Bundesgenossen willkommen heißen – natürlich ohne ihm das Feld zu überlassen. Vielmehr erinnert er uns daran, womit wir eigentlich hantieren, umgehen, wenn wir vom Glauben sprechen: mit Gott. Er erinnert uns, dass vor diesem Hintergrund unsere Worte, unsere Gewißheiten schnell eine Nummer zu groß werden – beziehungsweise zu klein.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen fruchtbare Zweifel – und fröhlichen Glauben!

Ihr Pastor Steffen Tuschling